Im Fernsehen suchen die besten Riesenslalom-Fahrer der Welt den schnellsten Weg ins Ziel. Chuenisbärgli. Adelboden. Tribüne voll. Piste gut. Doch, wo ist der Winter? Der Blick neben die Rennpiste offenbart, dass der Föhnsturm auch im Berner Oberland seine Wirkung als unersättlicher, schneefressenden Moloch versprüht hat. Da kommt der Anruf
von meinem ami Brüno gerade recht, der an diesem Frühlingstag im Hochwinter mit dem Rennrad um den Oberen Zürichsee fährt. Gerne leiste ich ihm Gesellschaft, schnappe mir den Renner und geselle mich ins Peleton zur „la primavera“.
Bei +15° könnte man glatt vergessen, dass im Wangener Riet vor weniger als einer Woche noch eine dicke Schneedecke diese inzwischen wieder satt grünen Wiesen bedeckte. Wir wählen nicht den schnellsten, einmal mehr den schönsten Weg um das Rennradjuwel Oberer Zürichsee.
Sogar den Wald von Arenberg – der berüchtigste Pavé-Abschnitt bei Paris-Roubaix – nehmen wir mit. Kommt mir gar Cancellara auf Rekofahrt entgegen? Der Untergrund verrät es. Einen solch samten Teppich gibt es in Arenberg nicht. Wir sind nicht alleine. Viele Rennradfahrer haben sich entschieden, das Positive diesem Frühlingstag im Winter abzugewinnen und sich in den Sattel zu schwingen. Unzählige Gümmeler und stattliche Peletons sirren uns entgegen. Es wird sportlich gegrüsst.
Ein Blick ins Wägital zeigt, dass Gipfel und Skitourenziele noch weiss eingedeckt sind. Da schiesst mir der Gedanke durch den Kopf, dass es eine Woche her ist, als wir vom Talboden im Glarnerland eine rassige Skitour zur Lochegg genossen haben. Tiefster Winter mit reichlich Schnee und einer Abfahrt bis Oberurnen auf 430m mit mehr als genug Schnee – ein Wintertraum.
Die Passage beim Lido in Lachen füllt unsere Lungen mit Frühlingsluft. Einzig die Gartenrestaurants sind noch geschlossen.
Rapperswil wie im April. Die wärmende Frühlingssonne lockt bereits anfangs Januar viele Spaziergänger an die Gestade des Zürichsees.
Die Panta Rhei geniesst den Auslauf mit Möven im Geleit und steuert in den Hafen Rapperswils.
Anders als in Lachen, sind in der Rosenstadt die Strassencafés geöffnet. Viel Volk drängt sich um die sonnigsten Sitzplätze in den Bistros. Wir gönnen uns einen Espresso-Halt und freuen uns bereits auf die Rückfahrt mit dem Wind im Rücken.
Nun hat uns der Frühling vollends übermannt. Brüno beschleunigt seine Maschine und wir rollen flüssig dem Ufer des Oberen Zürichsees entlang nach Schmerikon. Schneller…. viel zu schnell über die Hellinge bei Uznach für diese Jahreszeit! Klar, der Rückenwind schiebt ordentlich an, doch die Radsport-Begeisterung ist mit uns durchgebrannt. „Ein echter Gümmeler sei heute auf dem Rad“ meint Brüno. Ich pflichte ihm bei und übernehme meine Ablösung.
An einem derart schönen Tag schweift der Blick auch über den Lenker hinaus. Die tief verschneiten Glarner Berge wie Kärpf, Glärnisch, Vrenelisgärtli und Hausstock bilden einen herrlichen Kontrast und scheinen zum Greifen nah. Der Föhn. Dieses Bild holt uns auch wieder in die Jahreszeit zurück. So schön unsere Radrunde um den Oberen Zürichsee war, hoffen und freuen wir uns auf Väterchen Frost und…. den Winter.